Gähnen Hunde mit uns mit? Eine spannende Studie über Oxytocin, Empathie und Missverständnisse im Mensch-Hund-Verhältnis
Habt ihr euch schon einmal gefragt, ob euer Hund gähnt, weil ihr es gerade getan habt? Dieses Phänomen – bekannt als „ansteckendes Gähnen“ – wird bei uns Menschen oft mit Empathie in Verbindung gebracht. Aber wie sieht das bei unseren vierbeinigen Gefährten aus?
Eine faszinierende Studie von Anna Kis und ihrem Forschungsteam (2020) hat genau das untersucht – mit spannenden, aber auch überraschenden Ergebnissen.
Der Aufbau der Studie
Die Forschenden konfrontierten 33 Hunde mit menschlichem Gähnen – teils in echtem Gähnkontext, teils durch bloßes Öffnen des Mundes. Um den Einfluss von Bindung und Empathie zu erfassen, erhielt eine Gruppe der Hunde Oxytocin (das sogenannte Kuschelhormon) intranasal verabreicht, die andere ein Placebo. Zusätzlich wurde mithilfe eines Fragebogens die empathische Wahrnehmung der Hunde durch ihre Halter eingeschätzt.
Was kam dabei heraus?
Die große Überraschung: Kein Hinweis auf ansteckendes Gähnen bei den Hunden – unabhängig von Oxytocin oder Placebo. Auch kein Zusammenhang mit den Fragebögen zur empathischen Sensibilität.
Aber etwas anderes war auffällig: Hunde, die Oxytocin erhalten hatten, gähnten insgesamt weniger – vor allem dann, wenn ihnen ein Mensch ein Gähnen vormachte oder einfach nur den Mund öffnete. Die Interpretation der Forschenden: Das Gähnen bei Hunden in diesem Setting könnte kein Zeichen von sozialer Verbundenheit, sondern vielmehr ein Anzeichen von situativem Stress sein. Oxytocin – bekannt dafür, sozialen Stress zu reduzieren – hat möglicherweise dazu beigetragen, diesen Stress zu mildern, und dadurch die Gähnhäufigkeit gesenkt.
Was lernen wir daraus?
Diese Erkenntnisse werfen ein neues Licht auf die oft romantisierte Vorstellung, dass Hunde unsere Emotionen eins zu eins spiegeln. Sie fühlen viel und sind hochsozial, keine Frage – aber sie interpretieren Situationen anders als wir. Gähnen ist bei ihnen vielleicht nicht Ausdruck von Mitgefühl, sondern eher eine Strategie zur Stressregulation.
Und das ist absolut okay. Es erinnert uns daran, dass Hunde ihre eigene Kommunikationsform und Emotionalität besitzen, die nicht immer mit menschlichen Maßstäben gemessen werden kann.
Fazit: Beobachten statt Vermenschlichen
Die Studie zeigt deutlich: Wenn wir Verhalten unserer Hunde richtig deuten wollen, müssen wir bereit sein, tiefer zu schauen – mit einem wissenschaftlich geschulten Blick und echtem Interesse an ihrem Wesen. Menschliche Gesten wie Gähnen wirken auf Hunde anders – und genau das macht die Mensch-Hund-Beziehung so spannend.
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📚 Referenz: Kis, A. et al. (2020). The effect of oxytocin on yawning by dogs (Canis familiaris) exposed to human yawns. Applied Animal Behaviour Science, 223, 104916.
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