Blutlinien und Vererber der Zucht des Deutschen Schäferhundes
Dieses Dokument bietet eine historische Übersicht über die wichtigsten Blutlinien und ihre einflussreichsten Vererber in der Zucht des Deutschen Schäferhundes. Es fasst die Entwicklung vom Ursprung der Rasse bis zur modernen Zucht zusammen. Der Fokus liegt darauf, wie bestimmte Rüden die Zucht geprägt haben – sowohl positiv in Form von Typkonsolidierung als auch durch Herausforderungen wie das Größenproblem. Die Zusammenstellung dient als Grundlage (Basisseminar/Hauptseminar) für angehende Zuchtrichter, um ein Verständnis für die Linienbildung und Vererbung im Deutschen Schäferhund zu erlangen.
Die Anfänge der Zucht und die Horand-Linie
- Horand von Grafrath (geb. 1895) – SZ 1: Horand gilt als Stammvater der Rasse und wichtigster Vertreter der frühen Zucht[1]. Er verkörperte für Max von Stephanitz den idealen, universell einsetzbaren Gebrauchshund. Horand begründete über seine Nachkommen die ersten bedeutenden Rüdenlinien der Rasse. Der Begriff „Hochzucht“ kam damals auf und bezog sich auf das größer Werden der Hunde in der Zucht.
- Hektor von Schwaben (geb. 1898) – SZ 13: Als bedeutendster Horand-Sohn[2] – aus der Württemberger Schäferhündin Mores von Plieningen – setzte Hektor die Horand-Linie fort. Hektors Verpaarungen begründeten mehrere Zweige: Seine Rüden Beowulf, Pilot und Heinz von Starkenburg hinterließen jeweils eigene Linien. Horands Enkel Beowulf (geb. 1899) drückte der frühen Zucht bereits einen prägenden Stempel auf[3].
- Frühe Rüdenlinie Horand–Hektor–Pilot–Graf Eberhard–Luchs: Eine der ersten dokumentierten Linien verlief von Horand über Hektor von Schwaben zu dessen Sohn Pilot, weiter zu Graf Eberhard von Hohen-Esp (geb. 1903) und dann zu Luchs von Karlsmunt Wetzlar. Diese Linie hatte starken Einfluss auf die Anfangszeit der Zucht[4]. Graf Eberhard begründete dabei sowohl die Luchs von Karlsmunt Wetzlar-Linie als auch die Munko von Boll–Horst von Boll-Linie. Er erwies sich als verlässlicher Vererber mit zahlreichen Nachkommen. Luchs von Karlsmunt Wetzlar (Sieger 1908) war der Rüde mit der höchsten Nachkommenzahl jener Zeit (1788 Nachkommen), doch nur wenige davon wurden züchterisch bedeutsam[5]. Luchs, selbst doppelt auf Pilot und Beowulf ingezogen, zeugte u.a. Tell von der Kriminalpolizei.
Entwicklung der frühen Linien und das Größenproblem
Roland von Starkenburg (Sieger 1906/07) war ein früher einflussreicher Rüde der Hektor-Linie. Er galt als zuchtwertig, wurde aber von Stephanitz mitverantwortlich für die zunehmende Größe der Hunde gemacht[6].
In den 1910er- und 1920er-Jahren zeigten sich bei einigen Linien Übergrößen als Herausforderung. Viele einflussreiche Rüden jener Ära trugen zur Formbildung der Rasse bei, verstärkten aber auch unbeabsichtigt den Trend zu größeren Hunden. Die Züchter standen vor der Aufgabe, Gebrauchshundetyp und Standardgröße in Einklang zu halten. Im Folgenden einige wichtige Rüden dieser Zeit und ihr Beitrag – positiv wie negativ – zur Zuchtentwicklung:
- Pilot (geb. 1899) – ein Wurfbruder von Beowulf: Er entsprach in Größe und Knochenkraft seinem berühmteren Bruder[7]. Pilot war selbst nicht so bekannt wie Beowulf, erzielte aber ebenfalls Zuchterfolge. Über Graf Eberhard von Hohen-Esp in Pilots Nachkommenschaft entstanden die oben genannte Luchs- und Boll-Linie.
- Luchs von Karlsmunt Wetzlar (Sieger 1908): Wie erwähnt hatte Luchs die höchste Nachkommenzahl (1788 Welpen). Trotz dieser Menge waren nur wenige Nachkommen züchterisch wertvoll[5]. Positiv zu vermerken ist, dass Luchs mit Tell von der Kriminalpolizei (Sieger 1910) einen wichtigen Rüden zeugte.
- Tell von der Kriminalpolizei (Sieger 1910): Tell verbesserte gegenüber seinen Vorfahren die Körperformen und Festigkeit. Allerdings war er selbst schon an der oberen Größengrenze des Standards[8]. Durch Tell wurde der Horand–Hektor-Blutanteil in der Population weiter verstärkt. Seine Nachkommen, besonders die Hündinnen, standen oft ebenfalls an der Größengrenze.
- Arno von der Eichenburg (Sieger 1913) – SZ 24876: Arno übertraf mit 66 cm Schulterhöhe sogar noch die Größe seines Vaters Tell[9]. Er vererbte den Größenfaktor deutlich: Etwa ein Drittel seiner gekörten Söhne erreichte Übergröße. Über die Nachkommen Flieder und Orpal setzte sich Arnos Linie bis zu Donar von Overstolzen fort.
- Donar von Overstolzen (Sieger 1924) – SZ 220839: Donar war 67 cm groß und auf Arno von der Eichenburg 3–3 ingezüchtet. Er hinterließ anfangs einen prägenden Einfluss, doch endete seine Linie in den 1930er Jahren. Viele seiner männlichen Nachkommen wurden von der Körkommission als „Warnungshunde“ hinsichtlich der Größe eingestuft und aus der Zucht genommen, um das Größenniveau zu korrigieren.
- Munko von Boll (geb. 1907) – Munko brachte über seine Mutter Lori vom Brenztal ein unerwünschtes Merkmal in die Zucht ein: Lori trug genetisch eine Stummelrute, was zunächst unbemerkt blieb[10]. Später trat dieses Defektgen bei Nachkommen des Rüden Nores von der Kriminalpolizei hervor und machte deutlich, wie Nachkommen von Munko dieses Merkmal weitergaben.
- Horst von Boll (geb. 1909) – Horst, ein Sohn von Munko, wuchs bereits mit 9 Monaten auf 67 cm heran und überschritt damit deutlich die Standardgröße[11]. Bei Inzucht-Verpaarungen mit Horst zeigte sich gehäuft Übergröße, zudem traten Farbaufhellungen (Ausbleichen des Grauschlags) und Gebissfehler in seiner Nachzucht auf. Dies verdeutlichte, dass enge Inzucht auf bestimmte Rüden auch negative Merkmale verstärken konnte.
- Harras von der Jüch (Sieger 1921) – Harras wurde wegen seines tadellosen Wesens und korrekten Äußeren zum Sieger gekürt. In einer Zeit, in der etliche Konkurrenten zu groß gerieten, ragte Harras durch Standardmaß und Charakterfestigkeit hervor. Seine Ernennung zum Zuchtsieger unterstrich die Bedeutung von Wesensfestigkeit und Typgleichheit trotz Größenvariation in der Zucht.
- Roland von Starkenburg (Sieger 1906 und 1907) – Roland entstand aus enger Inzucht auf Hektor von Schwaben x Lucie von Starkenburg. Er erwies sich als äußerst zuchtwertig und prägte die Rasse mit seinem Typ. Allerdings zeigte sich bei Inzuchten auf Roland häufig, dass die Nachzucht an der Größengrenze lag[6]. Selbst von Stephanitz machte Roland (zugleich Rolands Vorzüge anerkennend) mitverantwortlich für die Vererbung großer Hunde, da „gute Größe“ damals oft Hunde bedeutete, die schon das zulässige Maß ausschöpften.
- Hettel von Uckermark (Sieger 1909) – Hettel, ein bedeutender Roland-Sohn, war ein kräftiger Rüde, der in Knochenkraft und Größe an die Grenze des für Gebrauchshunde Zulässigen ging. Auch seine Mutterlinie (Gretel von Uckermark, Hexe von Hohen-Esp) war ungewöhnlich groß und substanzvoll. In Hettels Nachkommen, insbesondere in der Billo von Riedekenburg-Linie, trat bei ca. 25% der Hunde Übergröße auf[12]. Hettel begründete zwar wertvolle Leistungslinien, doch das Größenproblem blieb ein ständiger Begleiter.
- Alex von Westfalenheim (geb. 1914) – Alex gilt als wichtigster Hettel-Sohn und führte dessen Linie fort[13]. Er selbst entsprach noch dem mittleren Maß, neigte aber zur Größe in der Vererbung. Schätzungsweise 20% seiner Rüden und 30% seiner Hündinnen überschritten die Idealmaße. Besonders seine männlichen Nachkommen – z.B. der S-Wurf vom Blasienberg – waren durchweg zu groß. Zusätzlich neigten diese zu flacher Rippe und geringer Brusttiefe, was auf anatomische Ungleichgewichte durch die Größenvererbung hindeutete.
Konsolidierung des Rassebildes und der Utz-Typ
- Erich von Grafenwerth (Sieger 1920) – Erich war mit 65 cm ein mittelgroßer Rüde und 2–2 ingezüchtet auf Hettel von Uckermark. Als erster Sieger mit Ausbildungskennzeichen (Polizeihund) verband er Leistung und Schönheit. Mit Erich begann eine Linie, die zur gewünschten Formfestigung führte[14]. Seine Nachkommen (z.B. Erich von der Glockenbrink) setzten diesen Trend fort.
- Klodo von Boxberg (Sieger 1925) – ein Sohn des Erich v. Grafenwerth: Mit Erich und Klodo wurde erstmals eine Ausgeglichenheit in Form und Größe erreicht[14]. Klodo maß nur 61,5 cm und bewies, dass Standardgröße mit vorzüglicher Anatomie vereinbar ist. Er legte damit den Grundstein für den modernen Typ. Viele Söhne Klodos (z.B. Curt von Herzog Hedan, Donar vom Zuchtgut) wurden züchterisch bedeutsam. Vor allem aber führte Klodos Linie zu Utz vom Haus Schütting.
- Utz vom Haus Schütting (Sieger 1929) – Utz (61 cm) verkörperte den vollkommen ausbalancierten Gebrauchshund und vererbte sich äußerst typtreu und zuverlässig[15]. Von Stephanitz selbst pries Utz als „vollkommenes Ebenmaß“ und vorbildlichen Zuchthund. Interessanterweise war Utz’ Ahnentafel eine gezielte Konzentration der erfolgreichsten Hunde: Horand – Beowulf – Roland – Erich – Klodo finden sich alle in naher Abstammung. Utz’ Nachzucht war durchweg mittelgroß, mit vielen hochprämierten Nachkommen auf Siegerschauen[16]. Mit Utz war der Rassetyp gefestigt; Übergröße war in dieser Linie kein Thema mehr[17].
- Ingo vom Piastendamm (geb. 1934) und Trutz aus der Schwanenstadt (geb. 1938): In den 1930er Jahren kam es zu einer „Rückbesinnung“ auf den mittelschweren Utz-Typ. Ingo (63 cm) führte über seinen Vater Glockenbrink auf Klodo zurück. Sein Sohn Trutz brachte wieder etwas mehr Kraft und Gehalt in die Hunde. Mit diesen Rüden gelang eine behutsame Typanreicherung, ohne das Größenmaß zu sprengen. Sie gelten als Vorboten einer neuen Ära, die nach dem Krieg folgen sollte.
- Lex von Preußenblut (geb. 1944) und Rolf vom Osnabrücker Land (Sieger 1950/51, geb. 1947): Diese Rüden leiteten die Nachkriegszucht maßgeblich ein. Lex war ein substanzvoller Rüde, aus dessen Linie Rolf vom Osnabrücker Land hervorging. Rolf wurde Doppelsieger 1950/51 und erwies sich als außerordentlich vererbungssicher. Er prägte den Rassetyp der 1950er Jahre durchgängig[18][19]. Seine typtreue Vererbung war so ausgeprägt, dass er als dominanter Stammvater der modernen Hochzuchtlinie V gilt. Auch Rolfs Wurfgeschwister – etwa seine Schwester Rosel und sein Bruder Racker vom Osnabrücker Land – gingen in die Zucht ein und trugen zur Verbreitung von Rolfs Erbgut bei. Insgesamt brach Rolf alle Rekorde seiner Zeit in Bezug auf die Zahl und Qualität der Nachzuchtgruppen.
Nachkriegszeit: Linien von Vello, Canto und Quanto
Die 1950er und 1960er Jahre waren geprägt von einer Vielfalt an Seitenlinien aus der Rolf-vom-Osnabrücker-Land-Abstammung. Zwei Hauptentwicklungen zeichneten sich ab: Zum einen drang die bereits früher angelegte Größe-Problematik wieder stärker hervor, zum anderen kristallisierten sich mit Canto von der Wienerau und Quanto von der Wienerau zwei herausragende Vererber-Linien heraus, die bis heute die Zucht beeinflussen.
- Vello zu den Sieben Faulen (geb. 1956): Vello hatte als Rolf-Enkel in der Nachkriegszeit enormen züchterischen Einfluss. Er selbst war nicht angekört (zuchtzugelassen) – wegen Übergröße[20] – wurde aber dennoch vielfach in der Zucht eingesetzt. Seine direkten Nachkommen waren im Schnitt 0,8 cm größer als der Rassedurchschnitt[21]. Auffällig war bei ihm der hohe Anteil an Hunden mit der maximalen Standardgröße von 65 cm[22]. Vello brachte viel Pigment und Substanz, erhöhte aber eben auch tendenziell die Größe in der Population[23].
- Jalk vom Fohlenbrunnen (geb. 1959): Als Sohn des Vello galt Jalk als Gegenpol zum Größenproblem. Er vererbte den größten Anteil an mittelgroßen Hunden (~50% seiner Nachkommen lagen bei 62,5–64 cm). Jalks Einfluss festigte viele gewünschte Eigenschaften und er wurde VA (Auslese) gekört. Allerdings zeigten Inzucht-Paarungen auf Jalk und Vello zusammen, dass der Anteil größerer Hunde in der Folgegeneration deutlich anstieg – ein Indiz dafür, wie sich Vellos Gene auf Umwegen doch auswirkten[24][25].
- Lido von der Wienerau (geb. 1962): Lido, ein Rolf-Urenkel und mütterlicher Großvater von Quanto, brachte große Variabilität in der Größe. In seinen Nachkommen fand man sowohl kleinere (60 cm) als auch sehr große Hunde (bis 65 cm). Lido stellte damit so etwas wie einen “Ausgleich” dar – er selbst wirkte sich weniger homogen aus, bot aber wertvolle Genetik (etwa in Bezug auf Gebäudefestigkeit und Winkelungen) für spätere Anpaarungen.
- Zwei erfolgsträchtige Rolf-Linien kristallisierten sich Ende der 1960er heraus:
a) Über Alf von Walddorf-Emst zu Canto von der Wienerau: Alf von Walddorf-Emst (geb. 1952, Rolf-Enkel) vererbte gehaltvolle, kräftige Hunde mit korrekten Winkelungen und viel Typ. Allerdings waren sie mitunter etwas schwer und nicht immer ganz fest im Gefüge. Sein Urenkel Canto von der Wienerau (geb. 1968) wurde zu einem der bedeutendsten Vererber seiner Zeit. Canto’s Nachzucht zeichnete sich durch Gleichmäßigkeit, Harmonie und Ausgewogenheit aus. Er betonte die Winkelungen und den Schub aus der Hinterhand – teils bis an die Grenze des Erlaubten. Cantos Einfluss brachte die Hochzucht auf ein neues Niveau an Eleganz und Anatomie, wobei Züchter wachsam bleiben mussten, um Übertreibungen (z.B. überangulierte Hinterhand) zu vermeiden.
- b) Über Arko vom Delog zu Quanto von der Wienerau: Arko vom Delog (geb. 1951, Rolf-Enkel) zeugte Condor von Hohenstamm (Sieger 1958). Condor wiederum ist der Vater von Quanto von der Wienerau (geb. 1967). Quanto hinterließ einen äußerst prägenden Eindruck: Er brachte kraft- und gehaltvolle Gebäude, sehr gutes Pigment und vorzügliche Vorhandwinkelungen in die Rasse. Gleichzeitig trat bei ihm erstmals ein auffällig hoher Anteil großer Hunde auf – etwa 11,9% seiner Nachkommen waren über dem Idealmaß. Dies war auf gezielte Inzuchtkombinationen zurückzuführen, die Vello, Jalk und den L-Wurf von der Wienerau (Lido-Liane) mehrfach in Quantos Ahnentafel vereinigten[26][27]. Quanto wurde dreimal VA1 (Sieger 1969–1971) und gilt – neben Canto – als einer der Grundpfeiler der modernen Zuchtlinien.
Moderne Linien und ihre Herausforderungen
Die moderne Hochzucht seit den 1970er Jahren wurde vor allem von Nachkommen Quantos geprägt. Dabei rückte das Größenmerkmal erneut ins Zentrum: Trotz anfangs mittlerer Rüdengrößen in den Stammbäumen führten gewisse Linienverfestigungen dazu, dass immer mehr Hunde an der oberen Standardgrenze gezüchtet wurden. Die folgende Übersicht beleuchtet die wichtigsten Rüdenlinien der letzten Jahrzehnte:
- Lasso di Val Sole (geb. 1974) – ein direkter Quanto-Sohn: Lasso setzte das typische Quanto-Erbbild eindrucksvoll fort. Er brachte mittelgroße, sehr typvolle Hunde, galt aber ebenfalls als Hoffnungsträger gegen Ende der 1970er, um die Größe moderat zu halten. Dennoch stieg auch bei ihm der Anteil großer Hunde weiter an – auf etwa 14,1% Übergröße. Betrachtet man die Abstammung seiner größten Nachkommen, sieht man wieder enge Inzucht auf Vello und Jalk[28][29]. Lasso blieb insgesamt ein positiver Einfluss und festigte den Quanto-Typ insbesondere hinsichtlich Pigmentierung und Gebäudetreue.
- Xaver von Arminius (geb. 1977) – ein Enkel Quanto’s: Xaver führte die väterliche (Quanto-)Linie mit großem zuchterischem Eindruck fort. Er war in fünfter Generation auf Jalk vom Fohlenbrunnen ingezüchtet[28] und mütterlicherseits auf Vello (3–3)[30]. Xavers Nachkommen hatten im Vergleich zum Durchschnitt fast einen dreimal so hohen Anteil an großen Hunden[29]. Innerhalb nur einer Generation verdreifachte sich damit beinahe die Übergrößenrate – ein deutliches Zeichen, wie die Kombination Vello–Jalk in Xaver’s Genpool dieses Merkmal verstärkte. Abgesehen von der Größe vererbte Xaver jedoch hervorragende Winkelungen, Festigkeit und viel Ausdruck, sodass seine Linie züchterisch als sehr wertvoll angesehen wurde.
- Quando von Arminius (geb. 1981) – Produkt der Paarung Xaver von Arminius × Palme vom Wildsteiger Land: Mit Quando kam es zur endgültigen Verankerung des modernen Typs. Diese Anpaarung bündelte mehrfach Vello-, Jalk- und Quanto-Blut (Inzucht u.a. Wilma von der Kisselschlucht 2–4, Quanto Wienerau 3–5, Lido/Liane Wienerau 5–5)[26]. Quando und seine Wurfgeschwister (der berühmte Q-Wurf von Arminius) begründeten die markanteste Blutlinie der Neuzeit. Alle heutigen Hauptlinien führen ausnahmslos auf den Q-Wurf Arminius zurück[31]. In direkter Vaterfolge stammen seit 1987 insgesamt 16 Bundessieger aus dieser Linie[31]. Quando selbst war ein mittelgroßer, korrekt aufgebauter Rüde mit hervorragendem Typ und sicherem Wesen. Er legte den Grundstein für die Dominanz der Arminius-Linie über mehrere Generationen:
– Odin von der Tannenmeise (geb. 1985) – Quandos Sohn – vererbte sehr vatertypische Nachkommen mit korrekten Gebäudeverhältnissen. Odin verkörperte Kraft und Gehalt bei mittlerer Größe. Seine zwei berühmtesten Söhne, Zamb von der Wienerau und Jeck vom Noricum, dominierten die 1990er Jahre in der Zucht. Zeitweise führten über 60% der Deutschen Schäferhunde dieses Blut[31]. Odin’s Nachkommen zeichneten sich durch gefestigten Quanto-Typ aus, zeigten verbessertes Pigment (tieferes Schwarz) und vorzügliche Anatomie.
– Zamb von der Wienerau (Sieger 1992, geb. 1987): Zamb, ein Sohn Odins, war nur minimal ingezogen (lediglich einmal auf Lasso di Val Sole)[32]. Er hinterließ einheitlich korrekt gebaute Hunde mit viel Ausdruck. Zambs Nachzucht setzte das Erscheinungsbild der Vaterlinie (Quanto → Lasso → Quando → Odin) fort und brachte viele erfolgreiche Zuchthunde hervor, ohne extreme Übergrößen zu produzieren. Zamb gilt als einer der präpotentesten Vererber der 90er Jahre neben Jeck.
– Jeck vom Noricum (Sieger 1993, geb. 1987): Jeck war enger ingezüchtet (u.a. auf Palme vom Wildsteiger Land, Flora vom Königsbruch, Canto von der Wienerau und Dick vom Adeloga). Er vererbte eindrucksvoll Typ und Gebäudekorrektheit, doch fiel auf, dass seine Rüden tendenziell größer wurden als seine Hündinnen. Jecks Sohn Hobby vom Gletschertopf (geb. 1993) beispielsweise stand an der absoluten Größengrenze (65 cm) und hinterließ etwa 80% große bzw. übergroße Nachkommen in der Rüdenseite. Damit zeigte sich, dass in Jecks Linie das Größenmerkmal nahezu fixiert war.
- Ursus von Batu (Sieger 2000, geb. 1995): Ursus, ein Enkel Zambs, führte das Odin-Tannenmeise- und Q-Arminius-Blut auf hohem Niveau fort. Er präsentierte eine extrem einheitliche Nachzucht: Die meisten seiner Söhne und Töchter ähnelten ihm stark (starker „Rüdengepräge“-Stempel bei den Rüden) und waren anatomisch sehr ausgeglichen. Allerdings erreichten viele Rüden seiner Nachzucht die obere Größengrenze. Ursus’ dominanter Einfluss sorgte dafür, dass Anfang der 2000er Jahre nahezu jede bedeutende Zuchtstätte auf ihn zurückgriff.
- Yasko vom Farbenspiel (VA1 2001 & 2002, geb. 1998): Yasko – ein Sohn von Ursus – war doppelt Bundessieger und ein weltbekannter Deckrüde. In seiner Abstammung finden sich mehrfache Inzuchten auf Odin von der Tannenmeise, Cello von der Römerau und Uran vom Wildsteiger Land. Yasko vererbte insgesamt hervorragende Anatomie und viel Pigment, zeigte aber auch einen interessanten Geschlechtsdimorphismus: Seine Rüden standen oft an der obersten Größe, während die Hündinnen im Schnitt etwas kleiner blieben (teils sogar unter dem Populationsmittelmaß der Größe). Mit Yasko wurde der Zenith der Odin/Arminius-Linie erreicht, und er beeinflusst bis heute viele Pedigrees.
- Larus von Batu (VA1 2004 & 2005, geb. 2000): Larus, ein weiterer Ursus-Enkel, gewann zweimal in Folge die Bundessiegerzuchtschau. Er konnte jedoch die positiven Merkmale seiner Vorfahren nicht in gleichem Maße weitergeben. Zwar waren Larus’ direkte Nachkommen durchaus ansprechend, jedoch fehlte ein herausragender Rüde in der folgenden Generation, der diese Linie langfristig fortgeführt hätte. So verblasste der unmittelbare Einfluss der Larus-Linie nach einigen Jahren.
- Quenn vom Löher-Weg (geb. 2003): Quenn stellte eine erhebliche Anzahl anatomisch korrekt aufgebauter Nachkommen. Auffällig war, dass diese überwiegend standardgerechte Größen hatten – ein Zeichen, dass hier bewusst auf Größe geachtet wurde. Viele Quenn-Kinder qualifizierten sich für die Gebrauchshundeklassen, was auf ihre Robustheit und Leistungsfähigkeit schließen lässt. Quenn, selbst VA gekört, lieferte damit einen wichtigen Gegenpol zu den oft grenzgroßen Linien der 90er.
- Uran vom Wildsteiger Land (VA1 1984 & 1985, geb. 1979): Uran begründete parallel zu den Wienerau/Arminius-Linien eine weitere dominierende Blutlinie. Er trat vor allem als Leistungsträger hervor und vererbte hervorragende Gebrauchshundeigenschaften (Triebstärke, Nervenfestigkeit). Uran brach alle Rekorde, indem er mit 9 aufeinanderfolgenden Nachkommengruppen die Zuchtschauen dominierte[33]. Kein Rüde vor ihm hatte je so viele Nachkommengruppen in Folge gestellt. Er hatte zudem die meisten angekörten Nachkommen seiner Zeit. Über Uran flossen wertvolle Arbeitsblut-Komponenten in die Hochzucht ein.
- Eiko vom Kirschental (Sieger 1988) – der beste Uran-Sohn – und dessen Sohn Yago vom Wildsteiger Land (geb. 1987) führten die Uran-Linie fort. Dabei zeigte sich, dass mit Yago das Größenmerkmal genetisch gefestigt wurde: Über 50% von Yagos männlichen Nachkommen erreichten 65 cm oder mehr. Yago (VA5 1992) fixierte somit einerseits den kräftigen, arbeitsbetonten Typ, brachte andererseits aber auch vermehrt große Hunde. Diese Tendenz setzte sich in einigen seiner Nachkommen wie Ulk von Arlett fort.
- Linie Ulk von Arlett → Rikkor von Bad Boll: Ulk von Arlett (Sieger 1995) und sein Sohn Rikkor von Bad Boll (VA1 1998 & 1999) bildeten eine weitere erfolgreiche Schiene. Interessanterweise waren Ulk und Rikkor selbst im mittleren Größebereich (um 63–64 cm). Dennoch zeigte sich in dieser Linie ein kontinuierliches Anwachsen des Anteils großer Hunde – vor allem in der nächsten Generation: Bei Rikkors Sohn Kevin vom Murrtal erreichten annähernd 80% seiner Söhne Übergröße[34]. Dies war darauf zurückzuführen, dass in dieser Linie mehrfach die gleichen Größenvererber ingezüchtet wurden: Immer wieder finden sich Vello, Jalk, der L-Wurf Wienerau, Quanto und Palme Wildsteiger Land in den Pedigrees. Diese „Anhäufung“ von Erbanlagen führte trotz eigentlich mittelgroßer Ahnen zu einem starken Ausschlag in Richtung Größemaximum bei der Nachzucht.
- Cello von der Römerau (geb. 1984): Cello, mütterlicherseits ein Quana-von-Arminius-Sohn, stellte seine Vererbungskraft nachhaltig unter Beweis. Er ähnelte im Erbgut stark seiner Mutter (Quana von Arminius) und brachte einige neue Ansätze in die Zucht. Aus Cellos Linie hoffte man auf frisches Blut außerhalb der dominanten Quanto/Uran-Linien. Einige seiner Söhne und Enkelsöhne (z.B. Bax von der Luisenstraße, Huppy von Arlett) schafften es in die Auslese. Allerdings konnte keine eigene „Cello-Linie“ dauerhaft etabliert werden, da sich letztlich die Arminius-Abstammungen als zu dominant erwiesen.
- Eros von der Luisenstraße (geb. 1992): Eros war einer der einflussreichsten Cello-Söhne und brachte neue Impulse. Er selbst stand bereits an der zulässigen Größengrenze und vererbte vielfach Hunde mit betonter Gebäudestreckung und sehr guten Laufknochenverhältnissen. Seine Nachkommen glänzten oft durch lange, feste Rücken und viel Raumgriff im Gangwerk. Allerdings zeigte sich bei manchen auch ein abfallendes Kruppenformat und nicht ganz ideale Oberarmlängen – Punkte, die züchterisch beachtet werden mussten. Eros’ Linie (über Hunde wie Huppy von Arlett) mündete später u.a. in Hill vom Farbenspiel.
- Hill vom Farbenspiel (VA2 2004, geb. 2000): Hill, ein Huppy-von-Arlett-Sohn, war ein vatertypischer, trockener und fester Rüde mit korrekten Gebäudeverhältnissen. Er brachte viele Nachkommen in die oberen Schaubewertungsklassen. Auffällig war bei Hill eine deutliche Geschlechterdifferenzierung: Seine Söhne waren im Durchschnitt etwas größer als normal (einige standen an der Größenobergrenze), während die Hündinnen eher mittelgroß blieben. Hills Nachkommen wiesen oft eine gestreckte Silhouette und überzeugende Laufknochen auf, gelegentlich jedoch Schwächen in der Kruppenlage. Insgesamt wurde die Hill-vom-Farbenspiel-Linie als wertvoller Blutanschluss gesehen, der den Typ festigte und insbesondere für Hündinnen empfohlen wurde, die zur Größe neigten[35].
- Remo vom Fichtenschlag (VA1 2011 & 2012, geb. 2007): Remo wird als einer der größten Vererber der letzten Jahre bezeichnet[36]. Er deckte weltweit und seine Nachzucht überzeugte durch Harmonie, Geschlechtsausdruck und Bewegung. In den Nachkommengruppen von Remo sah man einheitlich vatertypische Hunde mit ausgeprägtem Rüdengepräge bei den Rüden und femininen, mittelgroßen Hündinnen. Sein Erbe zeigt eine deutliche Geschlechterdifferenzierung und einen hervorragend harmonischen Bewegungsablauf, der oft gelobt wurde[36]. Remo gelang es, die Qualitäten seiner Ahnen (u.a. Yasko vom Farbenspiel, Zamp vom Thermodos, Ursus von Batu) in sich zu vereinen und an seine Kinder weiterzugeben. Er festigte in den 2010er Jahren den erwünschten Rassetyp mit korrekter Größe – auch wenn einige seiner Söhne wiederum die 65-cm-Marke erreichten, was im Kontext der allgemeinen Größenentwicklung nicht ungewöhnlich war.
Fazit: Die Zucht des Deutschen Schäferhundes ist ein ständiges Austarieren von Typ, Leistung und Größe. Von den Anfängen mit Horand von Grafrath, über die Konsolidierung des Standards mit Utz von Haus Schütting, bis hin zu den dominierenden Linien der Gegenwart zeigt sich, dass gezielte Linienzucht auf herausragende Vererber sowohl Chancen als auch Risiken birgt. Einerseits konnten durch Inzucht auf bewährte Hunde gewünschte Merkmale gefestigt und der Rassetyp vereinheitlicht werden. Andererseits führte dieselbe Inzucht gelegentlich zur Verfestigung unerwünschter Eigenschaften, insbesondere der Übergröße, aber auch mancher Defektgene. Die Geschichte der Schäferhund-Zucht ist demnach geprägt von der Suche nach dem idealen Gleichgewicht: Anatomische Korrektheit, Wesensfestigkeit und Gebrauchstüchtigkeit sollen vereint werden, ohne den vom Standard vorgegebenen Rahmen – insbesondere in der Größe – zu verlassen. Die erfolgreichen Züchter und Blutlinien waren stets jene, die diese Balance am besten halten konnten, indem sie auf die Lehren der Vergangenheit bauten und zugleich offen für neue Wege blieben.
Literatur und Quellen: Die obige Zusammenstellung basiert auf historischen Zuchtaufzeichnungen und Vorträgen[8][14][29][33][36] sowie zeitgenössischen Analysen der SV-Zuchtkommission (insb. Ausarbeitungen von L. Quoll)[26]. Ergänzend wurden Daten aus dem Archiv des SV („Der deutsche Schäferhund in Wort und Bild“, 1921)[2] und züchterische Erfahrungsberichte (z.B. Faragon Zwinger-Chronik)[12][23] herangezogen, um die Entwicklung der Blutlinien faktenbasiert darzustellen. Diese Quellen zeigen eindrucksvoll, wie sich die Zuchtziele über mehr als ein Jahrhundert verändert haben – und doch die Kernaufgabe dieselbe blieb: den Deutschen Schäferhund als vielseitigen, gesunden Gebrauchshund zu erhalten und zu verbessern.
https://www.faragon.de/index.php/de/blutlinien
https://riahorter.com/index_htm_files/n%20Meesterwerk%20Von%20Stephanitz.pdf
[4] Nemški ovčar nekoč in danes
http://www.kdnos.si/wp-content/uploads/Nemski-ovcar-nekoc-in-danes.pdf
[5] [6] [7] [9] [10] [11] [13] [21] [22] [32] [33] [34] [36] [PDF] Die wichtigsten Linien und Vererber in der Zucht des Deutschen …
[8] [14] [15] [16] [20] [24] [25] [26] [27] [28] [29] [30] [31] schaeferhunde.de
https://www.schaeferhunde.de/fileadmin/SV/Documents/SV-Zeitung_PLUS/01_14_Zuchtstrategie.pdf
[18] IMPORTANT PILLARS OF THE BREED
http://www.allaboutgermanshepherddogs.com/pillars.htm
[19] Rega Preußenblut – German Shepherd
https://www.germanshepherdkennelclub.com/pdgdetail/1028454/SZ
[35] VA2 Hill vom Farbenspiel – Pedigree Database
https://www.pedigreedatabase.com/german_shepherd_dog/dog.html?id=121378-hill-vom-farbenspiel
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