Ein Gedanke zur
3. Fachkonferenz des Rettungshundewesens im Katastrophenschutz und der Vermisstensuche vom 24./25. September 2022 in Künzelsau
https://www.hs-heilbronn.de/de/bs/fachkonferenz
Dortiger Beitrag vom Referenten Jörg Zintl – Thema:
Geruchsdifferenzierung in der Spürhundausbildung
Über Jörg Zintl:
Er ist Lehrender im Zollhundewesen, bei der Generalzolldirektion, Direktion IX, in Neuendettelsau.
Vor meiner Veröffentlichung habe ich Herrn Zintl kontaktiert und ihn darüber informiert, dass ich einen Blogbeitrag über seinen Vortrag bei der Fachkonferenz schreiben möchte.
Daraus ergab sich ein konstruktiver Meinungsaustausch per E-Mail.
Herr Zintl hat mich darauf hingewiesen, dass sowohl sein Vortrag, als auch seine Korrespondenz mit mir, ausschließlich als Privatperson stattfand. Er sprach ausdrücklich nicht für die Generalzolldirektion oder die Zollhundeschule und auch nicht in seiner Funktion als Zollhundetrainer. Dementsprechend sind seine Ausführungen keine offiziellen Aussagen der genannten Stellen und stellen lediglich seine persönliche Auffassungen dar.
Sein Vortrag bei der Fachkonferenz erfolgte auf eigene Kosten und ohne dienstlichen Auftrag.
Zum Inhaltlichen seines Vortrages:
Ich war Teilnehmer dieser Fachkonferenz, saß vor Ort im Publikum und mich hat dieser Beitrag natürlich interessiert.
Jörg Zintl erklärte die praktische Ausbildung von Spürhunden und wie deren Ausbildung im Rahmen der Geruchsdifferenzierung.
Dabei habe man zwei Möglichkeiten:
- Die Ausbildung an einem Geruchskomplex
oder
- Die Ausbildung an einer Geruchskomponente
Beide Möglichkeiten zeigte er im nachfolgenden Lichtbild und listete die Pro- und Contra-Punkte beider Möglichkeiten auf.
Er thematisierte die Auswahl von Zielgerüchen, also eine Planung, die vor dem Training eines Spürhundes erfolgen muss. Dazu gibt es nach seiner Meinung zum jetzigen Stand zunächst zwei Möglichkeiten:
Die Geruchskomponente und den Geruchskomplex.
Wie er in einer Folie des Vortrags dargestellt hat, haben beide Möglichkeiten jeweils Vor- und Nachteile. Bei einem Training mittels eines spezifischen Geruchskomplexes, so hatte er aufgeführt, können veränderte Zusammensetzungen unter Umständen nicht erkannt werden.
Das war der Punkt in dem Vortrag, dem ich nicht zustimmen konnte und wollte.
Daher möchte ich das in diesem Beitrag ein wenig ausführlicher erklären.
Verschiedene Sprengstoffe weisen wiederum verschiedene Komponenten und Verbindungen von anderen Sprengstoffen und Mischungen auf.
Ich empfehle daher die Erstkonditionierung an dem eigentlichen fertigen Stoff (nicht nur an einem Bestandteil davon) und ohne ein Markierungsmittel.
Die Erklärung dafür ist, dass der Hund die einzelnen Komponenten eines Sprengstoffes selektiv riechen kann und er sich die Gesamtgeruchskomposition des jeweiligen Sprengstoffes als eine Art General-Geruchsmuster in seinem olfaktorischen Gedächtnis abspeichert.
Es sind daher immer alle Sprengstoffe in ihrer Gesamtheit und industriellen/herstellungsbedingten Zusammensetzung zu trainieren und zu konditionieren und nicht nur jeweils die einzelnen Grundstoffe, bzw. Bestandteile der zusammengesetzten Sprengstoffe.
Bei den Sprengstoffen, welche aus Gemischen bestehen, gibt es i.d.R. nur eine kleinere Toleranz in den Mischungsverhältnissen, weil diese sonst eine ungewollte chemische oder physikalische Reaktion auslösen könnten. Das kann aber nicht auf alle Sprengstoffe generalisiert werden, was die Praxis der Attentäter ja gezeigt hat. Daher empfiehlt sich bei diesen Stoffen immer die Konditionierung am fertigen Produkt/Stoff, bzw. an der fertigen Zusammensetzung.
Hilfreich kann es bei der Erstkonditionierung schon sein, wenn man verschiedene Spreng- oder Explosionsstoffe, die auf der gleichen Basis der Zusammensetzung beruhen, nacheinander trainiert.
Die Studie Formation of an Olfactory Search Image for Explosives Odours in Sniffer Dogs von Irit Gazit, Allen Goldblatt & Joseph Terkel aus dem Jahr 2005 belegt, dass Spürhunde sich „Geruchsbilder“ anlegen über eine bestimmte Komposition. Je öfter diese Komposition trainiert wird, desto sicherer und möglicher wird die Erfolgsrate auch bei ähnlichen Kompositionen sein.
Die Fähigkeit, komplexe Geruchsmischungen elementar zu trennen, ist entscheidend für Sprengstoffdetektionshunde, die Sprengstoffe erkennen müssen, wenn sie vergraben, verborgen und / oder mit maskierenden Geruchsstoffen bedeckt sind.
HME`s (Homemade Explosives) können aus einer nahezu unbegrenzten Anzahl von Komponenten bestehen, die komplexe Geruchsmischungen erzeugen. Beispielsweise kann Ammoniumnitrat mit einer Vielzahl organischer Verbindungen von Kraftstoffen, wie Heizöl kombiniert werden, sowie mit Puderzucker und anderen organischen Materialien. Dies macht das olfaktorische Ziel zu einer sehr variablen Geruchsmischung.
Diese Geruchsmischung wird auch durch nachfolgende Faktoren wie z.B. das Abdampfverhalten und die Konzentration der relevanten Stoffe in der Gasphase, ebenfalls beeinflusst und sind hierbei immer von verschiedensten Faktoren abhängig:
➢ Art des Stoffes und dessen Dampfdruck
➢ Menge
➢ Verpackung – Art der Verpackung
➢ Ob weitere Ladung im zu durchsuchenden Frachtobjekt
vorhanden ist, welches sorptive Eigenschaften hat
➢ Die Menge an Ladung im Frachtobjekt und die Verringerung
des freien Luftvolumens und die damit verbundenen Einschränkungen bei der Luftzirkulation
➢ Größe des Frachtobjektes und das freie Luftvolumen
➢ Bauart des Frachtobjektes, Geometrie, Luftwechselrate mit der Umgebung usw.
➢ Position des versteckten Ziel-Materials
➢ Transportbedingungen wie Temperatur, Vibrationen, Einwirkdauer
usw.
Eine weitere sehr interessante Studie zu diesem Thema ist:
Odor mixture training enhances dogs' olfactory detection of HomeMade Explosive precursors von Nathaniel J.Hallab und Clive D.L.Wynneb aus dem Jahr 2018.
Zusammengenommen legen die Ergebnisse dieser Studie nahe, dass Hunde, um eine optimale Leistung bei der Erkennung eines Geruchsziels mit sehr variablen und komplexen Verbindungen zu erzielen, mit einer Vielzahl von Geruchsmischungen, mit und ohne die Basis-Substanz trainiert werden müssen!
Dies steht im Gegensatz zu einem Nur-Basis-Substanz-Trainingsverfahren, bei dem Hunde darauf trainiert werden, nur das primäre Oxidationsmittel zu erkennen und nicht auf „Markierungsmittel“ oder andere hinzu gegebene überdeckende Gerüche. Einige Untersuchungen legen nahe, dass diese Nur-Basis-Substanz-basierten Verfahren nicht optimal sind.
Ein Beispiel: Hunde, welche rein auf Kaliumchlorat trainiert sind, zeigen nicht die Kaliumchlorat basierten Sprengstoffe und Mischungen ebenfalls automatisch an.
Die Fähigkeit, ein kritisches Oxidationsmittel (wie AN) in einem komplexen Geruchsgemisch zu identifizieren, wird wahrscheinlich durch frühere Erfahrungen und Trainingserfahrungen beeinflusst.
Wie bereits erwähnt, gibt es einige Sprengstoffe, die zwar gemeinsam den einen Grundstoff haben, aber dennoch andere weitere Substanzen in Dosierung und Qualität. Dieses führt immer zu einer individuellen Mischung und Geruchszusammensetzung und wird im Hundegehirn auch jeweils in diesen Mischungsverhältnissen so abgespeichert.
Der Hund kann zwar die Einzelkomponenten auch riechen. In der wissenschaftlichen Literatur wird berichtet, dass durch die Anwesenheit einer weiteren Substanz beziehungsweise mehrerer Stoffe, die olfaktorische Wahrnehmung gestört wird.
Eine Theorie geht davon aus, dass es zu einer Konkurrenz an der Bindungsstelle von Riechrezeptoren kommen kann. Wenn zwei Substanzen sich am selben Rezeptor binden und eine von beiden eine höhere Affinität zu dem Rezeptor hat, kann der Geruchseindruck der anderen Substanz verändert oder völlig blockiert werden.
Eindeutige Bestätigungen gibt es dazu in mehreren Studien. Die Studie von Lucia Lazarowski, David C. Dorman aus 2013: Explosives detection by military working dogs: Olfactorygeneralization from components to mixtures, beschreibt eindeutig, dass das Ausbilden von Hunden an einzelnen Stoffen nicht dazu ausreicht, sicher einen Stoff anzuzeigen, der diesen speziellen Stoff als Bestandteil hat.
Für eine sichere Ausbildung und Arbeit ist daher immer die Ausbildung an den Sprengstoffgemischen erforderlich.
Verschiedenen Sprengstoffgemische sind nur lokal verfügbar, weil dort illegal hergestellt und können daher von Region zu Region stark variieren. Zu den Sprengstoffen, die häufig in IEDs gefunden werden, gehören organische Stoffe (z. B. 1,3,5-Hexahydro-1,3,5-trinitrotriazin [RDX]; 2,4,6-Trinitrotoluol [TNT]), anorganische Oxidationsmittel (z. B. Ammoniumnitrat [AN], Kaliumchlorat [PC]) oder eine Kombination (z. B. Amatol - ein Gemisch aus RDX und AN) (Studie von Kopp, 2008).
Darüber hinaus ist die Verwendung von selbstgemachten Sprengstoffen (HME) häufiger anzutreffen als kommerzielle und militärische Sprengstoffe (Studie von Östmark et al., 2012). Folglich können die absoluten und relativen Mengen an Sprengstoffvorläufersubstanzen, die in HME gefunden werden, stark variieren.
Eine weitere Herausforderung ergibt sich, wenn der Ausgangssprengstoff weiter modifiziert wurde und mit zusätzlichen Geliermitteln (z.B. Wachs oder Vaseline), Brennstoffen (z.B. Dieselkraftstoff oder Kerosin) oder störenden Fremdgerüchen versetzt wurde (Studie von Kopp, 2008).
Daher bestehen die meisten Zielgerüche (explosive Gerüche), denen Hunde unter echten Bedingungen begegnen, aus einer Kombination vieler verschiedener Substanzen (Studie von Harper et al., 2005), die sich von den im Training verwendeten Substanzen unterscheiden können.
Wenn man lernt, auf die Erkennung eines trainierten Geruchs zu reagieren, kann sich dies nicht unbedingt auf die Erkennung neuer Geruchskombinationen verallgemeinern. Daher ist es wichtig, trainierte Komponenten auf neue Konfigurationen, wie z.B. Mischungen aus trainierten und untrainierten Gerüchen, in die Spürhundausbildung mit aufzunehmen.
In der Studie von Laszowski wurde ein Experiment gemacht, die die eigentlichen Bestandteile eines Sprengstoffes für sich isoliert hat.
Also ohne diese zu vermischen und um diese dann in einem Geruchsabgabegerät physisch zu trennen, aber als gemeinsamen Luftstrom den Spürhunden zuzuführen, was zu einer später sicheren Anzeige des eigentlichen Sprengstoffgemisches geführt hat.
Die Begründung in seinem Vortrag, dass es keine Rolle spielt, wenn man ein Präparat ohne Handschuhe auslegt, weil der Täter möglicherweise auch keine getragen hat, halte ich auch nicht für richtig. Sie unterliegt ebenfalls den u.a. Gesetzmäßigkeiten.
Menschliche Anhaftungen unterliegen zudem anderen chemischen Voraussetzungen und Ausgasungen usw. Sie haben nicht die Herstellungsbedingte lange Ausgasungsphase.
Typischen menschliche Eigengerüche verflüchtigen, verdampfen oder verändern sich von der Konsistenz relativ schnell und anders als Sprengstoffe.
Unter Bezugnahme auf die Studien, die in dem Buch Human Scent Evidence von Paola Prada berichtet wurden, kann man sagen, dass der menschliche Geruch zusammengesetzt ist aus:
• Hauptgerüche: Der Geruch unserer Haut und unseres Körpers, der durch bakterielle Aktivität erzeugt wird
• Sekundgerüche: Der Geruch, der durch das, was wir essen, durch die verwendeten Deodorants und Waschmittel erzeugt wird
• Tertiäre Gerüche: entstehen durch die Umgebung, in der wir leben
Nicht alle Menschen sind gleich: Man weiß bereits, dass es Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt. Darüber hinaus zeigt die Wissenschaft, dass asiatische Bevölkerungsgruppen einen weniger intensiven und chemisch unterschiedlichen Geruch abgeben als kaukasische und afrikanische Bevölkerungsgruppen (die hinsichtlich der Intensität des abgegebenen Geruchs an erster Stelle stehen). Diese Unterschiede wurden hervorgehoben, indem die Anzahl der Schweißdrüsen - die offenbar in den Körpern von Asiaten vorhanden sind, verglichen mit der Anzahl derselben, die bei Kaukasiern oder Afrikanern vorhanden sind - und die unterschiedliche chemische Zusammensetzung von Wachssekreten in verschiedenen ethnischen Gruppen analysiert wurden.
Es ist kein Zufall, dass Armeehunde in Vietnam darauf trainiert werden konnten, nur eine bestimmte ethnische Zugehörigkeit zu melden und andere Menschen zu ignorieren.
Darüber hinaus ändert sich der menschliche Geruch erheblich, wenn wir intensive Emotionen erleben oder wenn wir spezielle Medikamente einnehmen. Wir stellen also fest, dass sich die chemische Zusammensetzung des menschlichen Geruchs unterschiedlich darstellt und abhängig ist, wie er sich je nach ethnischer Zugehörigkeit und emotionalem / gesundheitlichem Status unterscheidet.
Das heißt, dass unser persönlicher menschlicher Eigengeruch, den wir auf dem Präparat hinterlassen, weil wir keine Handschuhe tragen, vom Hund nicht sicher identifiziert werden kann, weil es zu viele Unterschiede innerhalb der Geruchszusammensetzung unter den Menschen aus den vorgenannten Gründen gibt. Das führt immer zu der großen Gefahr der Fehlanzeige.
Literaturverzeichnis:
• Wilson DA, Mainen ZF: Early events in olfactory processing. Annual Review of Neuroscience 2006; 29: 163-201.
• Laing DG, Francis GW: The capacity of humans to identify odors in mixtures.Physiology and Behavior 1989; 46: 809-814.
• Laing DG, Glemarec A: Selective attention and the perceptual analysis of odor mixtures. Physiology and Behavior 1992; 52: 1047-1053.
• Livermore A, Laing DG: The influence of chemical complexity on the perception of multicomponent odor mixtures. Perception and Psychophysics 1998; 60: 650-661.
• Kay LM, Crk T, Thorngate J: A redefinition of odor mixture quality. Behavioral Neuroscience 2005; 119: 726-733.
• Sokolic L, Laing DG, McGregor LS: Aymmetric suppression of components in binary aldehyde mixtures: behavioral studies in the laboratory rat. Chemical Senses 2007; 32: 191-199
• Mandairon N, Stack C, Linster C: Olfactory enrichment improves the recognition of individual components in mixtures. Physiology and Behavior 2006; 89: 379- 384.
• Fletcher ML, Wilson DA: Experience modifies olfactory acuity: acetocholine-dependent learning decreases behavioral generalization between similar odorants. Journal of Neuroscience 2002; 22: 201.
• Fletcher ML, Wilson DA: Olfactory bulb mitral-tufted cell plasticity: odorant-specific tuning reflects previous odorant exposure. Journal of Neuroscience 2003; 23: 6946-6955.
• Formation of an Olfactory Search Image for Explosives Odours in Sniffer Dogs von Irit Gazit, Allen Goldblatt & Joseph Terkel aus dem Jahr 2005 - Lucia Lazarowski, David C. Dorman aus 2013: Explosives detection by military working dogs: Olfactorygeneralization from components to mixtures
Fazit:
Nach einem weiteren schriftlichen Austausch der unterschiedlichen Standpunkte kam Herr Zintl zu dem Ergebnis:
Fazit Herr Stingl:
„Die Detektion funktioniert, warum genau ist nicht 100% belegbar. Und solange wir unseren Hunden nicht das Sprechen beibringen können wir im Detail nur mutmaßen.“
Mein Fazit dazu ist:
„Das Training oder die Vorgehensweise von Herrn Zintl ist grundsätzlich so möglich. Ich halte aber bei der Konditionierung über eine Geruchskomponente die Gefahr der Fehlanzeigen für viel zu hoch.“
Ich möchte mich an dieser Stelle bei Herrn Zintl über den fachlichen und sehr freundlichen Austausch bedanken!
Wir haben festgestellt, dass wir in der eigentlichen Sache gar nicht weit auseinander liegen!
Text:
by Karl-Heinz Klöpper
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